ZERPLATZTE TRÄUME IN ZEITEN VON CORONA
IN ZEITEN WIE DIESEN MÜSSEN WIR LERNEN, VERZICHT ZU ÜBEN. NICHT IMMER EINFACH - WIE HEIKE REGINA NIRSCH IN DIESEM GASTBEITRAG AUS EIGENER ERFAHRUNG BESCHREIBT.
ALLES NICHT SO SCHLIMM - ODER?
Die Abschluss-Klassenfahrt meiner Stieftochter – abgesagt...
Die Hochzeit der Tochter meiner langjährigen Freundin – findet nicht statt...
Das jährliche Hüttenwanderwochenende auf „unserer“ Hütte in der Wildschönau von gut 10 Familien aus der ganze Welt – dieses Jahr nicht...
Alles nicht schlimm in Anbetracht der weltweiten Corona-Situation, im Kontext der finanziellen Auswirkungen – sagt die Ratio. Aber was sagt das Gefühl?
Hanna hat sich das ganze Jahr auf die Abschlussfahrt nach Wien gefreut. Ihre beiden Freundinnen und sie wussten schon genau, was sie in ihrer Freizeit machen wollten und dass sie sich zu dritt ein Zimmer teilen. Der Abschluss der Schulzeit, bevor Jede den ersten Schritt in die Erwachsenenwelt macht und die Freundschaft sich wandelt... und nichts mehr so sein wird wie es war.
Mareens Hochzeit – im Detail durchgeplant. Das Hochzeitskleid hängt zum Anpassen beim Schneider, die Gäste waren eingeladen, auch ihre Eltern, 500 km entfernt, freuten sich seit Monaten auf diesen Tag, an dem sie auch „ihre Jüngste“ glücklich am Altar stehen sehen. Sie wollten nicht nur zu zweit, nicht nur standesamtlich heiraten. Deshalb heiraten sie dieses Jahr nicht und hoffen auf 2021.
Tradition seit 10 Jahren. Fester Termin seit 10 Jahren. Da kommt nichts dazwischen. Das erste, was wir nach dem Treffen machen, ist den Termin fürs folgende Jahr festlegen. Und uns ab da schon wieder aufs nächste Jahr freuen. Eine Familie lebt inzwischen in Südkorea und sie sind jedes Jahr dabei – zu sechst! Wir anderen leben alle im Süddeutschen, sehen uns aber manchmal auch nur dieses eine Mal zum Wandern, grillen, feiern, reden.
Dieses sind 3 Beispiele aus meinem persönlichen Umfeld. Ich habe sie gewählt, um Verständnis für die verschiedenen Sichten und Gefühlswelten zu wecken.
HARTE ZEITEN VOR ALLEM FÜR JUNGE MENSCHEN
Für die fast 16-jährige Hanna stürzt die Welt zusammen. Die 24-jährige Mareen ist todtraurig und am Boden zerstört. Ich, mit meinen Mitte 50 gehe rational mit der Situation um.
Meine erste Reaktion auf Hannas große Enttäuschung war – im Kontext der Gesamtsituation - leichtes Unverständnis. „Du warst doch schon in Wien. Ihr könnt doch später zu Dritt nochmals dahin. Das ist doch nicht so schlimm!“
Dann aber versetzte mich in sie hinein. Wie war das damals für mich, als ich 16 Jahre jung war. Hätte ich nicht genauso gefühlt? Wäre der Ausfall der Abschlussklassenfahrt nicht auch für mich eine riesige Katastrophe gewesen? Ich glaube schon!
Ich denke, wir können von Kindern, Teenagern und jungen Menschen nicht erwarten, dass sie genauso pragmatisch mit dieser extrem Ausnahmezeit umgehen, wie die meisten von uns Erwachsenen das tun. Ich verteidige jetzt in keiner Weise unverantwortliches Handeln wie z.B. Corona-Parties.
Aber ich plädiere dazu, Gefühle zuzulassen. Ja, ich darf traurig sein, auch wenn es eigentlich nur „Pille-Palle“ ist. Aber für mich ist es in dem Moment eben nicht lapidar, sondern eine riesengroße Enttäuschung.
Wichtig ist, dass wir die Situation reflektieren, dass wir jemanden haben, mit dem wir darüber reden können, der uns auffängt und uns auch hilft, wieder positiv in die noch ungewisse nähere Zukunft zu blicken. Und der „das Alles“ auch in einen Kontext setzt, den wir verstehen können.
Lasst uns füreinander da sein und Verständnis haben für die unterschiedlichen Sichten und Prioritäten bei Jung und Alt.
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